
Die Baustelle





Die Geschichte von Lorenzos Olivenöl


Der Olivenhain von Lorenzo liegt im äußersten Südwesten Siziliens an der Küstenstrasse SP79 zwischen Sciacca und Menfi


Als ich im Oktober 2017 als frisch gebackener Halbsizilianer, der kaum ein Wort Italienisch beherrschte, in Sciacca ankam, war es spät in der Nacht. Ich war erst um 21:30 in Catania gelandet und musste mit dem Mietwagen im Dunkeln noch quer durch Sizilien fahren. Einziger Ansprechpartner den ich hatte, war ein gewisser Lorenzo. Er war der Verwalter der booking.com Ferienwohnung, die ich für mich angemietet hatte und er sollte mir die Schlüssel geben. Ich traf ihn um Mitternacht auf der Piazza Gerardo Nocetto und er führte mich den Weg zu Fuß durch die verschlungenen Gassen der historischen Altstadt, ich trottete mit meinem Rollkoffer polternd hinterher.
Kaum im Appartement angekommen fragte er mich, was ich denn so ganz allein in Sciacca anstellen wolle. Als ich erwiderte, dass ich um die Ecke ein altes Haus gekauft habe, starrte er mich halb entsetzt, halb mitleidig an und sagte mir, dass er es unbedingt am nächsten Morgen sehen müsse. Er hatte offensichtlich Angst, dass ich mir irgendeinen völlig überpreisten Kernschrott hatte andrehen lassen. Er versprach, mich am nächsten Morgen um 10:00 Uhr im Appartement abzuholen.
Punkt Zehn Uhr klopfte es an meiner Tür und wir gingen im Tageslicht die 100 Meter um die Ecke. Als wir vor der Tür standen, ich auf mein Haus deutete und ihm zu verstehen gab, dass das mein Haus sei, entspannte sich seine Miene. Ich öffnete die Tür und er sprang neugierig hinein, wuselte begeistert von einer Ecke in die andere und erzählte mir, dass das Haus genauso aussehen würde, wie dass seiner Großeltern, in dem er als kleiner Junge immer gespielt habe. Es würde nur der Muli Stall fehlen.


Ich sagte ihm, dass das ja noch nicht alles sei. Wir gingen bergab durch die Gassen, drei Mal links in die Via Cannella, zum Hintereingang meines Hauses. Als ich das Große Holztor öffnete und er die Grotten und die, in den Fels gehauene Trinkrinne für die Mulis sah, strahlte er mich begeistert an und sagte mir, dass einiges an Arbeit auf mich zukommen würde, aber dass ich ein sehr wertvolles Haus gekauft hätte. Ich war beruhigt und verzückt zugleich.
Tage später hatte er mich zum Kaffee eingeladen, er kümmerte sich sehr rührend um den verrückten Deutschen, der fern der Heimat ein uraltes Haus gekauft hatte. Lorenzo kam etwas zu spät und entschuldigte sich, er hätte noch bei der Ölmühle vorbei fahren müssen, um nach seinem Olivenöl zu sehen. Ich wurde hellhörig. Eigenes Olivenöl? Nur von seinen eigenen Oliven? Hammer, so was hatte ich noch nie probiert. Ich sagte ihm, dass ich es unbedingt testen müsse.
Es vergingen ein paar Tage, bis wir uns wieder trafen. Als erstes drückte er mir ein kleines, verkorktes Glasfläschchen mit einer quietschgrünen Flüssigkeit in die Hand. Was? Das sollte Olivenöl sein? Das sah ja völlig anders aus, als alles, was ich sonst zuhause unter dieser Bezeichnung verarbeitet hatte und ich koche wirklich sehr viel.
Am selben Abend wurde das Zeug natürlich gleich ausprobiert. Beim Öffnen der Flasche kam mir ein Geruch von frischem Heu mit leichter Zitrus Note entgegen. Das erste Ablecken vom Teller brachte mir eine Geschmacksexplosion mit einem herrlich frischen, nicht aufdringlichen Olivengeschmack und leicht pfeffriger Schärfe im Abgang. Einfach genial.
Sowohl als schlichter Dipp mit frischem Ciabatta und Salz , als Salatdressing, bis hin zum Bratenöl für Gemüse, Fisch, Fleisch ist jede Verwendung möglich. Alles Gebratene hüllt das Öl in eine leckere, goldbraune Kruste. Perfekte Optik, genialer Geschmack. Stimmt wirklich – einfach selbst ausprobieren. Lediglich zum scharfen Anbraten von Rindfleisch und Wild würde ich es nicht empfehlen.
Olivenöl ist das meist verfälschte Lebensmittel auf dem europäischen Lebensmittelmarkt, schaut man sich die Etiketten sorgfältig an, entdeckt man fast in jeder Flasche den EU Punsch. Lorenzos Öl kommt ganz und gar aus 2 Hektar kerngesunden Olivenhain im äußersten Südwesten Siziliens. Man schmeckt den Unetrschied!
Lorenzo schenkte mir zwei Literdosen, eine für den Sofortbedarf und eine als Mitbringsel in die deutsche Heimat. Kaum zuhause, war die Dose auch schon leer und ich orderte sofort Nachschub bei ihm. Inzwischen funktioniert das so gut, dass ich regelmäßig bei ihm nachbestelle. In meinem Keller habe ich immer einen schönen Vorrat und Lorenzo freut sich natürlich unheimlich über den neuen Absatz Zweig. Olivenöl auf Sizilien verkaufen, ist halt wie Eulen nach Athen tragen…